Mittwoch, 18. Januar 2012

Braune Blüten an wehrlosen Bäumen

Von Nazi-Ökologen und ihren grünen Zielen

Die Natur zu romantisieren war bei Nazis schon immer Mittel zum Zweck: der rauschende Wald, die ehrlichen Bauern auf dem Felde und der deutsche Adler, der über alledem majestätisch kreist, diente im Dritten Reich vor allem zur Verherrlichung der lokalen Natur. Der Rest der Welt sollte damit zur öden Wildnis stilisiert werden, die allerhöchstens als erobernswertes Ackerland dienen kann.
Eine Veröffentlichung der Heinrich Böll-Stiftung zum Thema „Braune Ökologie“ zeigt nun aber, dass auch moderne Umwelthemen rechtsaußen populär sind.
Entdecken die Braunen jetzt das Guerilla Gardening für sich, werden bald illegal deutsche Eichen auf Verkehrsinseln gepflanzt? Die Sorge um Vereinnahmung „ihrer„ Themen treibt das linke politische Lager schon länger um. Der abnehmende Orientierungswert der Weltverkehrseinteilung in links und rechts wird besonders deutlich beim Thema Umweltschutz.
Kann man falsch Tomaten ziehen, unkorrekt gegen Atomkraft sein? Als in Deutschland die ersten Proteste gegen Kernenergie aufkamen, sei der rechtsextreme „Weltbund zum Schutz des Lebens„ von Anfang an dabei gewesen, heißt es in der Ausarbeitung der Stiftung. Die Unterschiede liegen im Detail: Der politisch gemäßigte Mensch sieht den Wald und stellt sich vor, wie er in 200 Jahren aussehen möge. Schlimmstenfalls
plant er, ein Flächenlos zu pachten um Feuerholz zu schlagen. Der Rechtsideologe erkennt einen prima
Übungsplatz, sieht in Gedanken seine Kinder zelten und Manöver üben. Auch er umarmt seinen Freund, den Baum, aber anschließend ritzt er verbotene Zeichen in den Stamm.
Der Gedanke an die immer kriegerischen Hintergründe jedweden völkischen Ideengutes lässt augenblicklich jeden Ansatz von Verständnis verrotten. Der verengte Blick der Heimatschützer, die alles außerhalb des Radius ihres kleinen Häuschens maximal als potentiellen Siedlungsraum betrachten, strengt an – wie ein Gegenüber, das jedes Gesprächsthema auf ein einziges, ihm bekanntes, umlenken muss,
um mitreden zu können. Das rechte Öko-Magazin „Umwelt & Aktiv„ verkündet: „Umweltschutz ist nicht grün, denn der Schutz der Natur beginnt vor Ort. Und meint damit eigentlich: soll ausschließlich vor Ort passieren. Dass ideologielose Ökologen sowohl ihren eigenen Garten schätzen als auch die Welt als
Ganzes betrachten, wollen die Vertreter von „Bündnis 33/Die Runen„ nicht wissen. Es fällt auf, dass es beinah zwecklos ist, über Umweltschutz unter dem Gesichtspunkt einer Ideologie zu sprechen. Die Projekte von links und rechts sind sich zu ähnlich: Im Ort Bad Oldesloe initiierten die „Autonomen Nationalen Sozialisten Stormarn„ Proteste gegen den Bau einer Schweinemastanlage. Ein Aufbegehren, das die meisten Menschen blind unterschreiben würden. Die Anlage wurde tatsächlich nicht gebaut. Wieder erinnert der Name der Gruppierung an die zunehmende Auflösung einfacher Weltbilder. Autonom, wer will das nicht sein, sozial, selbstverständlich, und national nehmen wir auch noch mit. Diese Verwischungen erinnern an die Tricks windiger Vertreter, denen es ausschließlich darum geht, den Fuß in irgendeine Tür zu bekommen. Sind sie einmal drin, in der guten Stube, präsentieren sie immer dasselbe Produkt: eine Welt, in der das Überleben noch eine Kunst und die Globalisierung nie passiert ist. Die scheinbare Komplexität, die Vielfalt im Auftreten ist bei braunen Gruppierungen nach wie vor Lockmittel.
Solange rechte Ideologen jedes blühende Feld immer noch als zukünftiges Schlachtfeld sehen, der Ausgang allen Handelns nach wie vor auf die barbarische Eroberung neuen „Lebensraumes„ abzielt, ist jede rechte Umweltschutzbemühung ein Täuschungsversuch. Hinterm Haus Tomaten, im Keller die Granaten.

Die Ausarbeitung „Braune Ökologie„ der Heinrich Böll-Stiftung erschien am 10. Januar 2012 und ist kostenfrei abrufbar unter
 http://www.boell.de/downloads/braune-oekologen.pdf
Sie beleuchtet die parallele geschichtliche Entwicklung von Umweltschutz und Naturverständnis in unterschiedlich politisierten Lagern.